Bauingenieur Ronald Meyer
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Wärmebrücken identifizieren und reduzieren

Wenn ein Bauteil durch Wärmeleitung deutlich mehr Wärme hindurchlässt als ein direkt benachbartes Bauteil, dann spricht man von einer Wärmebrücke: Zum Beispiel ein ungedämmter Betonsturz im Mauerwerk. Foto: Carsten Herbert.

Weitere typische Wärmebrücken sind etwa ein alter, klappriger Rollladenkasten oder die Balkonplatte, die früher ohne thermische Trennung an die Erdgeschossdecke dranbetoniert wurde und seit dem wie die Kühlrippe eines Motors Wärme von innen noch außen abführt. 

Jeder kennt die bunten Wärmebilder (Thermogramm), auf denen diese energetischen Schwachstellen meist rot „glühen“. Doch nicht jeder weiß, was bautechnisch dahinter steckt. Ganz zu schweigen von den Konsequenzen, die von Wärmebrücken ausgehen. Zunächst: In der Bauphysik spricht man nur von „Wärmebrücke“. Die inzwischen auch bei Fachleuten eingebürgerte „Kältebrücke“ gibt es streng genommen nicht. Denn in der Physik fließt nur Wärme, niemals Kälte. Deshalb heißt es auch Wärmedämmung und nicht Kältedämmung.

Bei einem Effizienzhaus fallen kleinste Ausführungsfehler schwer ins Gewicht

Und so reduziert man Wärmebrücken beim Altbau: Ungedämmte Betonstürze verschwinden beispielsweise hinter der Fassadendämmung, alte Rollladenkästen werden durch bestens wärmegedämmte Kästen ersetzt und in die Fassadendämmung integriert. 

Besonders wärmebrückengefährdet sind auch die Fensterlaibungen (Bereiche links und rechts am Fenster). Auch hierfür gibt es längst fertige Formteile, um diese Schwachstellen zu eliminieren. Gut zu wissen: Bei einem Haus, das mit geringstem Wärmebedarf auskommt, fallen bereits kleinste Ausführungsfehler überproportional schwer ins Gewicht. Zum Vergleich: Bei einem alten Einfamilienhaus mit einem jährlichen Heizenergiebedarf von beispielsweise 45.000 Kilowattstunden (4.500 Liter Heizöl oder 4.500 Kubikmeter Gas oder neun Kubikmeter Pellets) ist eine Schwachstelle (Wärmebrücke) in der Gebäudehülle, die etwa 500 Kilowattstunden zusätzlich verursacht, kaum messbar und in der Heizkostenabrechnung kaum zu spüren (die Wärmebrücke bewirkt gerade mal ein Prozent höhere Heizkosten). Bei einem energieeffizienten Gebäude dagegen, das beispielsweise nur rund 5.000 Kilowattstunden Heizenergie (500 Liter Heizöl, 500 Kubikmeter Gas, ein Kubikmeter Pellets) pro Jahr benötigt, würde eine solche Schwachstelle rund zehn Prozent des Energieverbrauchs verursachen. Es wird deutlich: Bei Planung und Umsetzung eines energieeffizienten Gebäudes muss – unabhängig davon, ob wir vom Neubau oder von einer Bestandsimmobilie sprechen – die Betrachtung und Reduktion der Schwachstellen (sprich „Wärmebrücken“ aber auch Fugen) als einer der wichtigsten Punkte immer im Vordergrund stehen. 

Wärmebrücken sind „Störungen“ im Bauteil. Die Gründe hierfür sind oftmals Materialwechsel innerhalb der Konstruktion wie der schon erwähnte schlecht oder gar nicht gedämmte Betonsturz in einer Wand.

Aber auch die Bauteilgeometrie (jede Hausecke ist eine Wärmebrücke) und sogenannte „konstruktive Zwänge“ (durchbetonierte Balkonplatte aus einer Zeit, in der die „thermische Trennung“ noch nicht erfunden war) sowie sicherlich nicht selten auch eine mangelhafte Ausführung, wenn etwa die Dämmung den Raum zwischen den Dachsparren nicht vollständig ausfüllt, führen zu Wärmebrücken. Dort geht viel mehr Wärme verloren, als durch den „ungestörten“ Bereich des Bauteils daneben und dadrüber. Deshalb gehören Stürze, Rollladenkästen, durchlaufende Balkonplatten aus Beton und andere Schwachstellen auch in puncto Wärmebrücken genau berechnet. Und dann wird bei der anschließenden Modernisierung besonders sorgfältig gearbeitet.

Wärmebrücken vermeiden: Von vier Vorteilen profitieren 

Die Vermeidung von Wärmebrücken bringt insgesamt vier große Vorteile:

1. Energieverbrauch: Die Heizkosten und auch die Umweltbelastung werden reduziert.

2. Durch den geringeren Wärmefluss im Bereich einer ehemaligen Wärmebrücke bekommt man im Winter auf der Innenseite des Außenbauteils eine höhere Oberflächentemperatur. Dadurch gibt es keine Tauwassergefahr mehr, das Schimmelrisiko geht auf Null, die „thermische Behaglichkeit“ (Raumklima) wird verbessert.

3. Durch die Vermeidung von Wärmebrücken wird die Bausubstanz nachhaltig verbessert. Dadurch bekommt die Immobilie eine Wertsteigerung.

4. Mit einer Wärmebrückenberechnung reduziert man den Energiebedarf in der Wärmeschutzberechnung. Wegen des kleineren Wertes gelangt man leichter an lukrative Fördermittel und Zuschüsse: Diese steigen, wenn der Energiebedarf sinkt.

Fazit: Wärmebrücken reduzieren lohnt sich nicht nur doppelt und dreifach, sondern vierfach. Deshalb sollte jeder wissen, was Wärmebrücken sind und wie man sie reduziert. 

„Alarmstufe rot“: Wärmebilder richtig lesen – „Blau“ ist nicht immer gut. 

Der Energieberater fertigt Wärmebilder an, um energetische Schwachstellen der Gebäudehülle auch für Laien sichtbar zu machen. Sehr schön lässt sich anhand der unterschiedlichen Farben der Zustand von Dach, Fassade und Fenstern ablesen.

Für Wärmebilder, die von außen aufgenommen wurden, gilt: Kalte Oberflächen sind blau, was den Rückschluss zulässt, dass die Wärme im Haus bleibt (gut) und dass das jeweilige Bauteil nicht sonderlich aufgewärmt wird. Rote bis weiße Flächen bedeuten überdurchschnittliche Wärmeabflüsse: warm = schlecht! – es „glüht“. Beispiel: ungedämmte Betonstürze.

Wärmebilder sind jedoch nur dann brauchbar, wenn die Randbedingungen der Aufnahmen korrekt waren. Dazu zählt auch der richtige Zeitpunkt der Aufnahme. Er ist in der kalten Jahreszeit, morgens, bei einer Außentemperatur von maximal plus 5 Grad Celsius. Wird das Haus etwa nachmittags an einem sonnigen Tag untersucht, sind auch gedämmte Fassaden rot oder gelb (von der Sonne aufgewärmt), obwohl sie eigentlich blau sein müssten (lassen keine Wärme durch). Das Wärmebild wäre wertlos. Gut zu wissen: Das Haus vor der Aufnahme drei Tage lang aufheizen. Sonst würde man beispielsweise eine dünne Heizkörpernische in einem unbeheizten Schlafzimmer nicht als Schwachstelle erkennen.

Hausecken sind kalt, weil sie auskühlen – wie unsere Nasen beim Winterspaziergang

Wenn die Randbedingungen bei den Thermografie-Aufnahmen in Ordnung waren, muss man beim Lesen der Wärmebilder dennoch einige Details beachten. Hausecken sind beispielsweise immer relativ kalt, weil sie eben auskühlen, wie unsere Nasen beim Winterspaziergang. Auch bei ungedämmten Fassaden, die ständig Wärme-Nachschub von innen bekommen, sind die Hausecken grün oder blau und nicht rot. Obwohl sie Wärme verlieren.

Eine Rotfärbung unter dem Dachüberstand ist meist keine Schwachstelle. Dort sammelt sich warme, aufsteigende Luft. Etwa aus einem darunterliegenden, gekippten Fenster.

Ein Ziegeldach ist (fast) immer dunkel. Denn Dachpfannen sind hinterlüftet und kühlen nachts aus. Eine schlechte Dämmung unter der Dacheindeckung kann als Wärmeleck auch schon mal übersehen werden. Nur größere Schwachstellen, wie etwa Fugen in der Dämmung, sind dort als warme, hellere Bereiche erkennbar. Hinweis: Das Dach von innen thermografieren: Dort sind dann aber die schlechten Stellen blau (kalt), die guten rot (warm).