Bauingenieur Ronald Meyer
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Was bedeutet „CO2-Fußabdruck?“

Wer seine Energiekosten nicht kennt, wird kaum gegensteuern. Wer nicht weiß, welchen Umweltschaden das eigene Verhalten verursacht, kann kein Gespür für Klimaschutz bekommen. Der CO2-Fußabdruck ist ein Maß, um Maß zu halten. Grafik: Ronald Meyer

Es geht zwar um Einschränkung und Verzicht, aber nicht um den Verlust an Lebensfreude. Vielmehr ist es das Ziel, durch Alternativen in der eigenen Lebensweise seinen persönlichen CO2-Ausstoß zu reduzieren und dabei unter Umständen noch mehr Lebensfreude zu entwickeln. Eine überwiegend vegetarische Ernährung schont den Körper, der dann beim Verdauen nicht so hart arbeiten muss wie etwa nach einer Schweinshaxe. Im energieeffizienten Haus ist die Atmosphäre behaglicher. 

Seit öffentliche Verkehrsmittel und Car-Sharing der Großteil meiner Mobilität sind, spare ich nicht nur viel Geld, sondern auch Zeit. Nie mehr in die Werkstatt fahren, keine Winterreifen wechseln. Das mache ich mir bewusst, wenn beispielsweise mal wieder ein Zug ausfällt und meinen Tag durcheinanderwirbelt. Verloren ist dadurch aber nichts. Auch dieser Text ist im Zug entstanden. Unabhängig davon, ob er fuhr oder stand. 

Im Bereich „sonstiger Konsum“ sind recht einfach große Fortschritte zu erzielen

Wie berechnet man denn nun seinen eigenen CO2-Fußabdruck? Im Internet gibt es eine Reihe von CO2-Rechnern. Ich habe den vom Umweltbundesamt unter www.uba.co2-rechner.de ausprobiert und war angetan. Der deutsche Durchschnitt liegt noch (01/2020) bei rund 11,60 Tonnen CO2-Ausstoß pro Person und Jahr. Das Ziel sind 2,00 Tonnen. 

Sechs Bereiche gehen in die eigene CO2-Bilanz ein: Mit klimaneutralem Wohnen (1) und einem achtsamen Stromverbrauch (2), mit kluger Mobilität (3) und leicht geänderten Ernährungsgewohnheiten (4) sowie mit aushaltbaren Einschränkungen beim Konsum (5) kann man bereits in den Vier-Tonnen-pro-Jahr-Bereich kommen. Die öffentlichen Emissionen (6) verbleiben dabei in jeder persönlichen Bilanz als einer der größten Brocken. 

Bei der oben abgebildeten Muster-Bilanz habe ich meine eigenen Mobilitätserfahrungen und Ernährungsgewohnheiten einfließen lassen. Erkenntnis: Meine Ernährung ist mir bewusst, aber richtig konsequent bin ich noch nicht. Beim „sonstigen Konsum“ sind dagegen recht einfach große Fortschritte erzielbar.

„Wir sind die erste Generation, die die Folgen des Klimawandels spürt. Und wir sind die letzte, die etwas dagegen tun kann“, sagte der ehemalige US-Präsident Barack Obama im Vorfeld der Weltklimakonferenz 2015 in Paris. Dieses Zitat ist längst ein mahnender Leitsatz. 

Auch ein Haus hat einen CO2-Fußabdruck

Wir müssen handeln. Jetzt. Wir dürfen nicht noch mehr Zeit verlieren. Doch wir diskutieren immer weiter. Vorschlag: Lassen Sie uns diese Diskussionen mit einem einfachen Beispiel abkürzen: Wenn es etwa um den Dämmstoff Polystyrol („Styropor“) geht, wird häufig berichtet, dieses Material würde bei der Herstellung insgesamt mehr Energie verbrauchen als man mit ihm einsparen könne. Gut zu wissen: Polystyrol benötigt bei der Herstellung für eine 16 Zentimeter dicke Dämmplatte rund 100 Kilowattstunden (kWh) Herstellungsenergie (Primärenergie). Wenn nun mit dieser Platte die bisher ungedämmte Fassade eines Hauses aus den 1970er Jahren gedämmt wird, beträgt die Energieeinsparung etwa 90 kWh pro Quadratmeter und Heizperiode, in 30 Jahren fast 2.700 kWh (Grafik oben). Noch Fragen?

Eine wissenschaftlich haltbare Ökobilanz (Lebenszyklusanalyse) von Baustoffen ist sehr umfangreich und komplex. Die Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen lässt fast 40 Nachhaltigkeitskriterien in die Bewertung einfließen. Kleine Auswahl: Ressourcenverbrauch und Primärenergie und deren Umweltfolgen (klimaschädliche Gase, Versauerung, Sommersmog). Aber auch gesundheitliche Risiken für Handwerker und Bewohner eines Gebäudes werden berücksichtigt.

Letzlich beschreibt die Ökobilanz die Umweltauswirkungen, die bei der Herstellung, Nutzung und Entsorgung eines Produktes entstehen. Somit hat auch ein Haus einen CO2-Fußabdruck. Die Sanierung eines Altbaus verursacht im Vergleich mit einem Neubau nur einen Bruchteil des Primär-Energieeinsatzes.

Es ist heute (noch) fast egal, wie ein Baustoff produziert wird

Uns muss es heute (noch) fast egal sein, ob ein Baustoff mit Kohlestrom oder mit grünem Strom produziert wurde. Hauptsache der Baustoff wird überhaupt produziert und kommt zur Anwendung bei einem Gebäude, das dann klimaneutral bewohnt werden kann.

Natürlich öffnet man Kritikern mit solchen Aussagen Tür und Tor: In oftmals hitzig geführten Debatten wird verlangt, ein Baustoff fürs klimaneutrale Haus möge doch bitte auch klimaneutral hergestellt sein – ohne Schäden für die Umwelt. Alles andere sei eine Mogelpackung. Das würde im Umkehrschluss bedeuten, dass wir zunächst die gesamte Baustoffindustrie auf Klimaneutralität umstellen müssten, bevor wir mit dem Bau des ersten klimaneutralen Hauses überhaupt erst beginnen könnten. Wir würden weitere, wertvolle Jahre verlieren. Da wir uns aktuell in einer Übergangsphase befinden, ist es legitim, den Prozess zur Klimaneutralität Zug um Zug zu vollziehen und dabei auch hin und wieder ein Auge zuzudrücken. Viele Unternehmen sind längst dabei, ihre Standorte auf Klimaneutralität umzustrukturieren. Dort ist eine Entwicklung in Gang gekommen, die letztlich dazu führen wird, dass alles klimaneutral produziert werden kann.

Welche Fenster sind nachhaltiger: Holz- oder Kunststofffenster?

Holz ist ohne Frage ein nachhaltiger Baustoff. Doch was ist, wenn das Holz einen langen Weg zur Baustelle zurücklegt und etwa bei der Fensterherstellung noch mit Lacken und Holzschutzmitteln bearbeitet wird? Wie sieht dann die CO2-Bilanz im Vergleich mit einem Kunststoffenster aus, das in Deutschland hergestellt wurde und eine längere Lebensdauer hat?

Ein Haus, das mit der eigenen Photovoltaik-anlage mehr grüne Energie erzeugt als es in der Jahresbilanz verbraucht, wird im Laufe der Zeit den Herstellungsenergieeinsatz der verwendeten Baustoffe kompensiert haben. Ob das nach drei, fünf oder zehn Jahren der Fall ist, kann derzeit außer Acht gelassen werden. Wichtig ist, dass wir jetzt anfangen unsere 10 Millionen Wohnhäuser klimaneutral zu sanieren. Legen Sie los.